Wollen Chefs wirklich Selbstläufer? Vom Umgang mit «schwierigen» Mitarbeitenden.

(Mit einem einleitenden Beitrag von R. Duppenthaler)

«Ich möchte an dieser Stelle einige Gedanken über diejenigen Mitarbeitenden äussern, welche anfänglich von ihren Vorgesetzten als Wunschkandidaten angesehen wurden und nach einiger Zeit auf einmal «schwierige» Mitarbeitende sind.

Es sind nämlich oft diejenigen, welche selbständig, ziel- oder auftragsorientiert arbeiten und vermeintlich im Sinne des Vorgesetzten selbständig entscheiden und handeln. Diese Wunschmitarbeitenden haben aber auch häufig die Angewohnheit, den Chefs selbstbewusst und auf Fakten abstützend den Spiegel hin zu halten oder sie mit Kritik von unten zu konfrontieren.

Ich zähle mich selbst zu dieser Gruppe von Menschen und habe mit meiner Art nicht nur positive Erfahrungen gemacht. Im Rahmen meiner Tätigkeit in der Ausbildungs- und Einsatzführung haben mir gegenüber Vorgesetzte geäussert, dass sie solche Mitarbeiter sehr schätzen und gerne in ihrer Organisation haben.

Leider kam es in der Folge zu grossen Spannungen zwischen einigen meiner Vorgesetzten und mir.

Aus meiner Sicht wünschen sich Chefs, welche klare Ziele vorgeben, als Vorbilder agieren und ihren Mitarbeitenden Vertrauen entgegenbringen, solche Selbstläufer in ihrem Team.

Nun kommt es vor, dass in Wirklichkeit viele Chefs nicht über alle oben genannten Eigenschaften verfügen. Stellen dann Mitarbeitende unangenehme Fragen, verlangen einen klaren Standpunkt oder reflektieren gar die Arbeitsweise ihres Chefs, dann stossen sie auf Widerstand und Ablehnung. Während meiner beruflichen Tätigkeit ist mir dies etwa bei der Hälfte meiner Vorgesetzten passiert.

Bei Vorgesetzten, welche mit meiner Art und Weise umgehen konnten, ist ein rasch konstruktives Arbeitsklima entstanden und die Zusammenarbeit war durchwegs positiv und zielführend.

Wie geht man nun mit solchen Mitarbeitenden um? Wichtig zu wissen ist, dass diese Mitarbeitenden auch Vorgaben benötigen. Sie haben das Vertrauen ihres Chefs und verfügen deshalb über weitreichende Handlungs- und Entscheidungsfreiheit und werden nur wenig, und wenn, dann zielführend kontrolliert. In solchen Situationen dürfen sie ein konstruktives Feedback, Kritik und gegebenenfalls situativ angemessene Anerkennung erwarten. Ihr Fokus liegt bei der Arbeit und der zu erbringenden Leistung. Sie stellen die persönlichen Bedürfnisse meistens hintenan. Eine zu enge Führung und sture Vorgaben hemmen ihre Arbeit sehr, was dazu führt, dass sie unzufrieden und im Umgang unangenehm werden.

Wie sollten diese «schwierigen» Mitarbeitenden mit ihren Chefs umgehen? Es ist wichtig, dass Vorgesetzte durch die Art solcher Mitarbeitenden nicht überfahren werden. Gegenseitiger Respekt, eine sachliche und sachdienliche/lösungsorientierte Kommunikation sowie ein regelmässiger Informationsaustausch auf Augenhöhe dürfen nicht fehlen. Oft hilft bei der Lösungsfindung auch das Denken in Varianten, so entsteht für beide Seiten eine grössere Handlungsfreiheit. Der Entscheid für eine Variante muss in jedem Fall sachlich überzeugend begründet sein.

Ich bin sicher, dass eine wie oben beschriebene Zusammenarbeit die Leistung der Mitarbeiten fördert und jeder Organisation weiterbringt». (Rolf Duppenthaler, ehem. Berufsmilitär)

Haben Sie als Chef*in nicht auch gerne Mitarbeitende, welche so genannte Selbstläufer*innen sind? Die Aufgaben sind vorausschauend, rasch und effektiv erledigt und Ihr Führungsaufwand dabei minimal. Was Selbstläufer*innen tun, entzieht sich aber oft der direkten Kontrolle und kann Misstrauen hervorrufen. Selbständigkeit ja, aber bitte nicht die Leitung in Frage stellen und mühsam sein.

Selbstläufer*innen haben oft sehr hohe Ansprüche an sich selbst und sind der bzw. ihrer Sache verpflichtet. Vorgesetzte werden zuweilen kritisiert, wenn Sie nicht halten, was man sich von ihnen als Leader*innen verspricht. Der betupfte Chef wirft einem (vielleicht nicht immer ganz zu Unrecht) fehlende Loyalität vor, oder dass man zu wenig an das grosse Ganze gedacht habe!

Was schwierige Mitarbeitende sind, ist am Ende subjektiv. Hier sind aber nicht solche Zeitgenossen*innen gemeint, die immer alles besser wissen (… aber meist erst im Nachhinein), eigentlich selbst auf dem Chefposten sitzen müssten und an deren Selbstüberschätzung andere leiden, sondern solche, die mit ihren Standpunkten und ihrem Engagement auch ein gewisses Risiko eingehen und bei einem Fehlschlag auch bereit sind, ihren Kopf hinzuhalten.

Selbstläufer*innen sind motiviert und anstrengend, praktizieren lebenslanges Lernen, sind selbstkritisch. Sie haben Spass an der Arbeit, denken mit, fühlen sich mitspracheberechtigt und äussern sich zuweilen prononciert. Sind Sie nicht Ausdruck der so viel gerühmten und bemühten Agilität?

Die obige Schilderung von Rolf Duppenthaler zeigt aus meiner Sicht zwei weitere Aspekte auf: Erstens sind tatsächlich nicht alle Willigen für Führungsaufgaben geeignet. Denn Führen ist nicht nur eine Frage der Ausbildung, welche mehr oder auch weniger zur Entwicklung der Führungskompetenz beiträgt, sondern insbesondere eine Frage der Persönlichkeit. Bestimmte Kombinationen von Persönlichkeitsmerkmalen1 führen zu einer besseren Führungsqualität (Manager sollten nach R.K. Sprenger2 folgende Eigenschaften aufweisen: «cool head, warm heart, working hands»). Gleiche Führungsausbildung heisst nicht gleiche Führungsqualität in der Praxis. Dennoch kann mit einer redlichen, fundierten und praxisorientierten Führungsaus- und Weiterbildung viel erreicht werden. Aber eben nicht alles.

Zweitens ist gut funktionierende Führung nicht nur eine Frage des Top-down, sondern auch des proaktiven Bottom-up. Chefs müssen nicht nur die Selbstführung beherrschen, sondern auch eine klare Vorstellung davon haben, was Führung in ihrer Organisation für sie bedeutet. Und auch die Mitarbeitenden sollten sich mit dem Thema Führung auseinandersetzen und eigene Vorstellungen von guter Führung entwickeln. Wichtig sind das gegenseitige Verständnis und die Erkenntnis, dass es unbedingt beide braucht. Führungskräfte sind auch nur Menschen, die manchmal Fehler machen. Gerade deshalb sollte Fehlerkultur nicht eine Einbahngeschichte sein. Nur so finden schlechte Nachrichten ihren Weg nicht nur nach unten, sondern auch nach oben.

Fredmund Malik3 stellt für den Umgang mit Chefs und Kollegen fünf Regeln auf: 1. Chefs und Kollegen muss man managen! 2. Finde heraus, was dein Chef und deine Kollegen für Menschen sind! 3. Nutze die Stärken des Chefs! 4. Übernimm die Verantwortung für die Verständigung! und 5. Kommuniziere mit geschlossenen Kreisläufen.

Mitarbeitende agieren so proaktiv und mit einem gemeinsamen Verständnis von Führung.

Die Menschen heute haben einen stärkeren Zugang zu Bildung und ein gesteigertes Kompetenzbewusstsein. Oben und unten nähern sich an oder sind vielerorts im Begriff sich aufzulösen. Die Frage nach dem Sinn des Tuns und eine identifikationsstiftende Antwort darauf haben an Bedeutung gewonnen. Das Führen von Menschen muss auch in hierarchisch aufgebauten und gelebten Organisationen dieser Entwicklung Rechnung tragen. 

Führung kann nur mit gegenseitigem Verständnis, Respekt, Vertrauen sowie der Bereitschaft, einander immer wieder zuzuhören erfolgreich und nachhaltig sein, und: wenn die Sache, die alle verbinden sollte im Vordergrund steht.

1 Siehe z.B. Big Five/OCEAN-Modell nach Borkenau, P. & Ostendorf, F. (1993).
2 R. K. Sprenger (2012), Radikal Führen. Campus.
3 F. Malik (2015), Navigieren in Zeiten des Umbruchs. Die Welt neu denken und gestalten. Campus.